Was wurde uns nicht alles prophezeit, wenn in Deutschland die letzten
Atomkraftwerke ausgeschaltet werden. Die Kohleverstromung werde in nie
dagewesene Höhen steigen, Die Menschen mĂŒssen sich gegenseitig ihre
letzten Lumpen klauen, weil Blackouts und Niedergang dominieren werden.
Deutsche Atomkraft wird mit LNG aus Katar ersetzt, wÀhrend hier
gleichzeitig ohne französische Atomkraft die Lichter ausgehen wĂŒrden. ...
WeiterlesenDas war 2023: Kein Blackout, Kohle auf einem historischen Tief
und sinkende Kosten trotz Atomausstieg
Der Beitrag Das war 2023: Kein Blackout, Kohle auf einem historischen Tief
und sinkende Kosten trotz Atomausstieg erschien zuerst auf Der
Graslutscher.
https://graslutscher.de/das-war-2023-kein-blackout-kohle-auf-einem-historischen-tief-und-sinkende-kosten-trotz-atomausstieg/#more-6118 Das war 2023: Kein Blackout, Kohle auf einem historischen Tief und sinkende Kosten trotz AtomausstiegWas wurde uns nicht alles prophezeit, wenn in Deutschland die letzten Atomkraftwerke ausgeschaltet werden. Die Kohleverstromung werde in nie dagewesene Höhen steigen, Die Menschen mĂŒssen sich gegenseitig ihre letzten Lumpen klauen, weil Blackouts und Niedergang dominieren werden. Deutsche Atomkraft wird mit LNG aus Katar ersetzt, wĂ€hrend hier gleichzeitig ohne französische Atomkraft die Lichter ausgehen wĂŒrden. Alle Welt lache deswegen ĂŒber Deutschland.
Es scheint tatsĂ€chlich nicht wenige Deutsche zu geben, die ihr Weltbild und ihre Wahlentscheidungen davon abhĂ€ngig machen, was das Ausland vermeintlich von uns denkt. Witzig â einerseits ist Deutschland ja sooo kein, dass es in Klimafragen ohnehin keinen Unterschied macht, aber gleichzeitig beschĂ€ftigt sich die ganze Welt mit dem deutschen Strommix? Unwahrscheinlich.
WĂŒrde sich aber tatsĂ€chlich die ganze Welt mit der deutschen Stromversorgung beschĂ€ftigen, dann wĂ€re 2023 eher ein Grund fĂŒr erstaunte Gesichter voller Hoffnung gewesen. Das lief nĂ€mlich unerwartet gut, selbst fĂŒr mich alten Berufsoptimisten:
Die deutsche Stromerzeugung aus Braunkohle fÀllt 2023 auf das Niveau von 1965. pic.twitter.com/T5R3a8lpjo
â Bruno Burger (@energy_charts_d) December 19, 2023
1964, ihr erinnert euch? Platz 1 der Single-Charts war da â
Liebeskummer lohnt sich nichtâ und
der damals leistungsstÀrkste Supercomputer schaffte an einem ganzen Tag so viel Gleitkommaoperationen wie mein Smartphone in einer Sekunde (ist lange her).
Die Frage, die sich viele Menschen nun stellen: Wie konnten wir 3 Atomkraftwerke abstellen und gleichzeitig die Kohleverstromung so stark senken? Ist das nicht nur eine Folge von wirtschaftlichem RĂŒckgang?
ZunĂ€chst ist es ganz grundsĂ€tzlich selten zielfĂŒhrend, in derartig komplexen Systemen wie dem Strommarkt eines groĂen Landes nach monokausalen Ursachen fĂŒr eine Jahresstatistik zu suchen. Der RĂŒckgang der deutschen Kohleverstromung hat gleich mehrere Ursachen:
- Der gesamte Stromverbrauch sank von 2022 auf 2023 um etwa 4 Prozent
- Anstatt netto 5 Prozent unserer Stromerzeugung zu exportieren, importierten wir 2023 netto 2 Prozent unseres Bedarfs
- Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren stieg um 8 Prozent
Zu Punkt 1: Ein RĂŒckgang von 4 Prozent des Strombedarfs ist schon eher viel, allerdings ging der Strombedarf in den meisten der letzten 10 Jahre zurĂŒck,
auch weil wir die Energie effizienter verwenden. FĂŒr eine Stadtbeleuchtung mit LEDs, GerĂ€te mit Effizienzklasse A und optimierte Prozesse in der Industrie benötigen wir einfach weniger Strom als frĂŒher. Ein Teil des RĂŒckgangs wird aber auch dem Kostendruck geschuldet sein.
Zu Punkt 2: Viele von uns gingen davon aus, dass unsere Stromexporte niedriger ausfallen als in den letzten Jahren. Dass wir am Ende auch aufs ganze Jahr bezogen zum Netto-Stromimporteur werden, war eine Ăberraschung. In den Debatten hatte auch ich selbst mehrfach die falsche Vermutung geĂ€uĂert, dass sich das aufgrund der gleichen saisonalen Schwankung wieder ausgleicht.
TatsÀchlich
haben wir in den Wintermonaten wieder mehr exportiert, aber das hat die Importe aus dem Sommer nicht mehr ausgeglichen. Meine Hater können sich in den Kommentaren also gerne an meinem Irrtum laben. Womit ich jedoch Recht behalten habe, ist der Grund warum wir mehr importiert haben:
Deutscher Kohlestrom ist mittlerweile einfach zu teurer und der europĂ€ische Strommix zu sauber, um damit groĂe ĂberschĂŒsse zu erzielen. Unsere Exporte des Jahres 2022 waren noch
von einer mit Problemen kÀmpfenden französischen Atomflotte geprÀgt, so dass wir da
den Rekordwert von 15 Terawattstunden nach Frankreich exportiert haben.
Das hat sich letztes Jahr glĂŒcklicherweise entspannt: Historisch gesehen lieferten die französischen Atomkraftwerke in 2023 zwar immer noch wenig Strom, aber doch beruhigende 40 TWh mehr als noch 2022, so dass unser Stromhandel 2023 viel ausgeglichener war:
Frankreich exportierte 12,4 TWh an Deutschland, Deutschland exportierte 12,0 TWh an Frankreich.
Die hohen ImportĂŒberschĂŒsse
erzielten wir mit Strom aus anderen LĂ€ndern:
DĂ€nemark: 10,7 TWh (Fossilanteil 20%)
Norwegen: 4,6 TWh (Fossilanteil < 1%)
Schweden: 2,9 TWh (Fossilanteil < 5%)
Niederlande: 2,1 TWh (Fossilanteil >50%.)
Schweiz: 1,0 TWh (Fossilanteil 0%)
Frankreich: 0,4 TWh (Fossilanteil < 7%)
Deutsche Kohlekraft wurde also runtergefahren und stattdessen wurde klimaschonenderer Strom von unseren europÀischen PartnerlÀndern importiert. Ein Umstand,
der von der Bild als âStrom-Betteleiâ verunglimpft wird, fĂŒhrt wahrhaftig zu deutlich weniger Emissionen.
Quelle Energy-Charts.de, Balken mit positiven Werten sind Importe, Balken mit negativen Werten sind Exporte Der importierte Strom hÀtte locker auch mit unseren eigenen Kraftwerken erzeugt werden können. Er macht nur einen kleinen Teil des gesamten Verbrauchs aus und wurde importiert, wÀhrend unsere Kohlekraftwerke sich historisch langweilten: Unsere Braunkohlekraftwerke liefen 2023
nur die HĂ€lfte der Zeit unter Volllast, die Steinkohlekraftwerke
sogar nur zu 22% der Zeit.
Wir können uns jetzt gerne in den Kommentaren streiten, was die Ursachen fĂŒr den Strommix 2023 waren, aber die Prognosen fĂŒr Blackouts, mehr Kohlestrom oder AbhĂ€ngigkeit von Frankreich können wir in der RĂŒckschau ins Reich der Mythen und Legenden verbannen (
die Zahl der StromausfÀlle sinkt).
Irgendwie auch irre, wie viele Menschen eine AbhĂ€ngigkeit von französischem, ziemlich klimaschonendem Strom aus einer europĂ€ischen Demokratie fĂŒrchten und gleichzeitig kein Problem damit zu haben scheinen,
dass 98% unseres Erdöls, 100% unserer Steinkohle und 95% des Erdgases importiert sind. Wenn wir in groĂen Mengen Strom exportieren, fĂŒr den wir aber erst Steinkohle und Erdgas importieren mĂŒssen, was ist dann gewonnen?
Besonders heuchlerisch geriet in diesem Zusammenhang mal wieder die gespielte Empörung von Jens Spahn, dem Energie-âExpertenâ der Unionsfraktion.
Saubere Kernkraft?
Werbung fĂŒr Schokolade?
Mehr dreckige Kohle verfeuern? 
Cannabis legalisieren?
GrĂŒne: beides qualmt 
â Jens Spahn (@jensspahn) April 12, 2023
Dessen Twitter-Account steigerte sich im April 2023
mit âschmutzige Kohle [âŠ] wie nie zuvor.â in immer emotionalere Höhepunkte auf Trump-Niveau hinein, obwohl er selbst diesen Ausstieg genau in der Form
im Jahr 2011 im Bundestag mitbeschlossen hatte (in der Folge gingen im Jahr 2011 direkt 8 Kernreaktoren vom Netz,
die Kohleverstromung stieg danach deutlich und sankt erst 6 Jahre spÀter wieder unter den Wert von 2011).
Im Dezember 2023
fabulierte er hingegen einen âKohlewinterâ herbei, den es bislang ebenfalls nicht gab. Der Dezember 2023
war der kohleÀrmste Dezember der Statistik und auch
4. Quartal 2023 zeigt ein Minimum der Kohleverstromung.
Ja, das hĂ€tte auch anders laufen können. Und ja, wĂ€re Deutschland zuerst aus der Kohle und dann aus der Atomkraft ausgestiegen, dann sĂ€he unsere Klimabilanz noch mal deutlich besser aus, was die Ausstiegsreihenfolge fragwĂŒrdig erscheinen lĂ€sst. Spahn macht diesen Fehler aber nicht wieder gut, indem er mit LĂŒgen ĂŒber Kohlerekord-MĂ€rchen nach der Atomkraft auch noch Wind- und Solarkraft lahmzulegen versucht.
Denn hey, Im Jahr 2024 stellen wir keine Atomkraftwerke mehr ab. Jede Kilowattstunde, die von jetzt an durch den Wind- und Solarkraftausbau dazukommt, verdrÀngt eins zu eins eine fossile kWh aus dem Netz. Das kann ziemlich cool werden.
Letâs go!
______________________________________________________________________________
Dieser Text wĂ€re nicht zu Stande gekommen, wenn mich nicht viele groĂzĂŒgige Menschen unterstĂŒtzen wĂŒrden, die zum Dank dafĂŒr in
meiner Hall of Fame aufgelistet sind.
Damit der hiesige Blogger sein Leben dem Schreiben revolutionÀrer Texte widmen kann ohne zu verhungern, kannst Du ihm
hier ein paar Euro UnterstĂŒtzung zukommen lassen. Er wĂ€re dafĂŒr sehr dankbar und wĂŒrde Dich dann ebenfalls namentlich erwĂ€hnen â sofern Du ĂŒberhaupt willst.
Der Beitrag
Das war 2023: Kein Blackout, Kohle auf einem historischen Tief und sinkende Kosten trotz Atomausstieg erschien zuerst auf
Der Graslutscher.