Dunkelflauten-Adventskalender TĂŒrchen 4:Das Backup fĂŒr die Dunkelflaute ist recht preiswert[Das ist ein etwas verrĂŒckter Adventskalender, zu Teil 3 geht es
hier]
Ich prophezeie jetzt schon wĂŒtende Kommentare unter diesem Artikel von Leuten, die ihn gar nicht gelesen haben, weil allein der Titel hohes Trigger-Potential besitzt. Das liegt daran, dass die Geschichte von den âunfassbar teurenâ Backupkraftwerken auf der Beliebtheitsskala urbaner Legenden weit oben liegen dĂŒrfte, knapp unter den Schauergeschichten ĂŒber die Spinne in der Yukkapalme und spontane SelbstentzĂŒndung.
Wer mir nicht glaubt, kann sich
unter dem Facebook-Beitrag zum letzten KalendertĂŒrchen selbst ĂŒberzeugen: Darin ging es nicht mal um die Kosten der Backupkraftwerke, sondern erst mal nur um die Frage, wie viel oder viel eher wenig Strom die am Ende gemessen an der gesamten Versorgung ĂŒberhaupt bereitstellen mĂŒssen (am Ende ist es glĂŒcklicherweise eher wenig).
Ein Grund, warum der Artikel angeblich vollkommen naiv sei, war schnell gefunden: Mehrfach wurde darauf hingewiesen, wie abartig teuer Backupkraftwerke doch angeblich seien. Besonders auffĂ€llig daran ist, dass den BefĂŒrworterinnen von Wind- und Solarkraft immer wieder gerne vorgeworfen wird, mit Zahlen, Physik oder generell der Naturwissenschaft auf KriegsfuĂ zu stehen, wĂ€hrend sich die Legende ums angeblich sĂŒndhaft teure Gas-Backup selbst doch eher mit blumiger Wortwahl auszeichnet anstatt mit belastbaren Zahlen.
Ein Gaskraftwerk vorzuhalten kostet so wenig wie eine Brezel pro Deutschem
âSauteuerâ seien die. Es handele sich um âenorme Kostenâ, und es sei per se âziemlich unwirtschaftlichâ, nur fĂŒr Dunkelflauten Gaskraftwerke vorzuhalten, wurde mir erklĂ€rt. Ich fĂŒhlte mich an die Berichterstattung
des Spiegel zum Rohstoffbedarf fĂŒr die Energiewende erinnert, in der die daraus resultierenden NaturschĂ€den nicht etwa konkret mit Zahlen, sondern mit blumigen Adjektiven wie âbrutalâ, âenormâ und âimmensâ umschrieben wurden.
Vorteil: Knallt rhetorisch gut rein. Nachteil: Ist komplette GrĂŒtze
Auch bei den Backupkraftwerken wird sich um eine echte Zahl konsequent herumgeschummelt, und das so gut wie ĂŒberall. Macht an Weihnachten gerne mal den Test, wenn GroĂonkel Stan ĂŒber Windkraft schimpft, weil dafĂŒr so âabartig teureâ Backupkraftwerke gebraucht wĂŒrden und fragt einfach âJa? Wie teuer sind sie denn?â. Ich wette eine DVD-Sammelbox âGravity Fallsâ, dass die Antwort âöööh, ja⊠EXTREM TEUER HALT!â oder so was sein wird.
Stimmt aber nicht. Nutzen wir eine ĂŒber 2.000 Jahre alte Erfindung (Zahlen), um die Höhe zu bestimmen, kommt eine Analyse der Leopoldina-Akademie zu ziemlich moderaten Zahlen:
Knapp 400 Mio. ⏠fĂŒr ein Gaskraftwerk mit 1.000 MW Leistung plus 13 Mio. ⏠fĂŒr den reinen Betrieb pro Jahr (ohne den Brennstoff, Seite 33).
Ich weiĂ, ich weiĂ. Verglichen mit eurem Wochenendeinkauf bei Rewe sind 400 Mio. ⏠verdammt viel Geld. Reden wir aber ĂŒber die Stromversorgung einer sehr groĂen Volkswirtschaft wie Deutschland, sind wir schnell bei ganz anderen Dimensionen, gegen die 13 Mio ⏠im Jahr komplette Peanuts sind (Marco WĂŒnsch von der Prognos AG schĂ€tzte sie auf 70 Mrd. âŹ/Jahr).
Andere Arbeiten
kommen zu Ă€hnlichen Zahlen, so geht die Studie âKlimaneutrales Deutschlandâ von 500 Mio ⏠Baukosten fĂŒr 1.000 MW Gaskraft aus und 60 Mio. ⏠jĂ€hrliche Betriebskosten ohne den Brennstoff. Vielleicht kommt das MissverstĂ€ndnis auch daher, dass Gasstrom recht teuer ist. Das ist er aber, weil Gas teuer ist, nicht die Anlage, die ihn verbrennt:

Quelle: Prognos, Ăko-Institut, Wuppertal-Institut (2020): Klimaneutrales Deutschland. Studie im Auftrag von Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung KlimaneutralitĂ€t
Selbst wenn wir uns jetzt noch mal ein richtig fettes Mega-Backup aus 40 Gigawatt Gaskraft ins Land stellten, wĂ€ren das nach diesen Zahlen 15 bis 20 Milliarden ⏠Baukosten + 0,5 bis 2,5 Milliarden ⏠reine Vorhalungskosten/Jahr. Wenn wir von 50 Jahren Lebensdauer fĂŒr ein Gaskraftwerk ausgehen, sind das jĂ€hrliche Kosten von 2 Milliarden ⏠oder etwa 2 ⏠pro Deutschem im Monat, also etwa ein Kaffee beim BĂ€cker.
Bezogen auf eine jĂ€hrliche Strommenge von angepeilten 750 TWh im Jahr 2035, entsprĂ€che es einer Preiserhöhung von gerade mal einem Viertel Cent pro Kilowattstunde (2 Mrd. ⏠geteilt durch 750 Mrd. Kwh). Mit anderen Worten: Finanziell gesehen ist das ziemlich pillepalle verglichen mit den richtig groĂen Brocken:
FĂŒr den Bau der nötigen Wind- und SolarkraftkapazitĂ€t inkl. Netzausbau, E-MobilitĂ€t und WĂ€rmepumpen werden in den kommenden 10 Jahren viel gröĂere BetrĂ€ge investiert werden. Die SchĂ€tzungen reichen hier von
gut einer Billion ⏠vom BDI bis zu
1,2 Billionen ⏠vom BDEW. Bedeutet: Selbst das von mir veranschlagte Riesen-Backup wĂŒrde knapp 2 Prozent der Energiewende-Investitionen ausmachen. Inwiefern das jetzt âenormâ oder âsauteuerâ ist ĂŒberlasse ich der Leserschaft zu beurteilen.
Was in diesem Zusammenhang schon eher verstĂ€ndlich ist, ist der Gedanke, dass das Vorhalten all dieser Gaskraftwerke nur fĂŒr ein paar Tage im Jahr Fans von effizienten Lösungen unelegant erscheint. Wer eine Runde Anno 1800 erfolgreich beendet hat, indem er die Warenkette fĂŒr Brot ideal austariert hat, bekommt vom Gedanken an 20 Gigawatt Gaskraft, die den GroĂteil des Jahres nur nutzlos herumstehen, vermutlich AlptrĂ€ume.
Es ist nur so: Ein Stromnetz ist keine Anno-1800-Warenkette und wenn es ausfĂ€llt sind unsere Probleme deutlich gröĂer. Deswegen gibt es fĂŒr unser Stromnetz das
sogenannte (n-1)-Kriterium:
âBei allen ihren Planungen mĂŒssen die Ăbertragungsnetzbetreiber zudem beachten, dass immer die sogenannte n-1-Sicherheit gewĂ€hrleistet ist. Das bedeutet, dass das Stromnetz auch dann sicher funktionieren muss, wenn eine Komponente wie eine Leitung oder ein Transformator ausfĂ€llt. Das Stromnetz muss also insgesamt so geplant sein, dass jede Leitung zumindest kurzzeitig verzichtbar ist, ohne dass es zu EngpĂ€ssen kommt.â
Mit anderen Worten: Deutschlant steht voll mit Trafos, Leitungen und auch Kraftwerken, die im besten Fall, dass alles funktioniert, nie benötigt werden. Bei einem meiner Besuche in einem groĂen Rechenzentrum in Frankfurt, wurden wir in einen haushohen Raum gefĂŒhrt, in dem ein gigantisches, regelmĂ€Ăig gewartetes Dieselaggregat stand. Wenn alles gut geht, wird diese groĂe, teure Maschine wĂ€hrend des gesamten Betriebs des Rechenzenteums auĂer zu TestlĂ€ufen nie in Berieb sein.
Unser Gaskraft-Backup hat demgegenĂŒber also sogar einen Vorteil, denn es wird ziemlich sicher ein paar mal im Jahr zum Einsatz kommen.
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Der Graslutscher.