die sensationalistischen aufmacher, dass aus den pflegeberufen niemand sich impfen lassen wollte, die söder und co sofort fĂŒr ihren wahlkampf instumentalisiert haben, basieren auf einer umfrage via email!!1elf!! die netten politiker stellen eine ganze berufsgruppe unter den generalverdacht, bescheuerte impfgegner zu sein, aufgrund einer umfrage per email. und weil ramelow mit den leitern einer klinik gesprochen hat.
das ist wirklich erbÀrmlich.
das wort benutze ich in letzter zeit einfach zu oft ...
weil der betreffende artikel hinter einer paywall liegt, habe ich seinen inhalt hier mal gesichert.
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Manchmal klingt eine Nachricht so fatal, dass man gar nicht mehr fragen mag, was wirklich dahintersteckt. Zum Beispiel: Die HĂ€lfte aller PflegekrĂ€fte in KrankenhĂ€usern und Altenheimen will sich nicht gegen Corona impfen lassen. Das war die Meldung der letzten Woche, und sie sprach sich schnell herum. "Die Bereitschaft ist offenbar nicht ĂŒberall die höchste", sagte der Moderator der Tagesthemen. "Da muss man sich die Frage stellen, ob nicht in der Ausbildung etwas falsch gelaufen ist", sagte der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Erwin RĂŒddel von der CDU. Und ThĂŒringens MinisterprĂ€sident Bodo Ramelow richtete im Deutschlandfunk einen Appell an das Pflegepersonal, sich impfen zu lassen â was, wie er sagte, nur ein Drittel tun wolle. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA), ein Verband, der die Interessen der Inhaber privater Heime und Kliniken vertritt, sprang ebenfalls auf die Nachricht auf: Die Impfbereitschaft beim Personal sei besorgniserregend, die Regierung sollte mehr informieren.
Nachdem den PflegekrĂ€ften monatelang applaudiert worden war, nachdem sie als Helden gefeiert wurden und nun die Ersten sind, die die lang ersehnte Impfung bekommen, sprach man plötzlich ĂŒber sie, als wĂ€ren sie dumm und stur.
Alle berufen sich dabei auf dieselbe Umfrage, ĂŒber die auch ZEIT ONLINE am 6. Januar berichtete. Die Deutsche InterdisziplinĂ€re Vereinigung fĂŒr Intensiv- und Notfallmedizin hatte die Befragung zwischen dem 3. und dem 12. Dezember per Mail herumgeschickt, 2305 Menschen nahmen teil. Die Umfrage hat Schwachpunkte: Theoretisch hĂ€tte jeder daran teilnehmen können, der die E-Mail erhielt, auch wenn er oder sie gar nicht in einem Pflegeberuf arbeitet. Entsprechend ist die befragte Gruppe nicht reprĂ€sentativ â es sind schlicht Menschen, die den Link in einer Mail angeklickt haben. Auch stellte sich heraus, dass Bodo Ramelow nur mit dem Chefarzt einer einzigen Klinik gesprochen hatte, bevor er erklĂ€rte, dass sich "zwei Drittel" der thĂŒringischen Pfleger angeblich nicht impfen lassen wollten. Das berichtet der MDR. Und Bernd Meurer, der als PrĂ€sident des BPA in den Tagesthemen noch erklĂ€rte, das Personal sei verunsichert, sagt gegenĂŒber der ZEIT, dass ihm keine reprĂ€sentativen Daten zur Impfbereitschaft vorlĂ€gen. Seine Sorge sei "das Ergebnis aus GesprĂ€chen mit den LandesgeschĂ€ftsstellen" seines Verbands.
Es gibt also keine wirklich aussagekrÀftigen Zahlen, nur jede Menge Anekdoten. Gesundheitsminister Jens Spahn hat darauf hingewiesen, sein Statement ging allerdings zwischen den Katastrophentönen unter. Wie steht es also um die Impfbereitschaft des Pflegepersonals? Bleibt nur, selbst Stichproben zu nehmen. ReprÀsentativ ist auch das nicht, aufschlussreich aber schon.
Dieser Artikel stammt aus der ZEIT Nr. 03/2021. Hier können Sie ab 17 Uhr die gesamte Ausgabe lesen.
Anruf in einer Klinik in Karlsruhe. "Die Impfbereitschaft im covidnahen Bereich liegt bei ĂŒber 90 Prozent", sagt der Pflegedienstleiter. Und die anderen zehn Prozent? Er stellt durch auf die Station. "Ich sage bewusst nicht meinen Namen", sagt die Krankenschwester, die rangeht. "Ich habe Depressionen und habe oft erlebt, dass manche Medikamente bei mir nicht anschlagen. Bei Impfungen ist das auch so. Ich wurde gegen Röteln und Hepatitis zwar geimpft â in meiner Schwangerschaft stellte der Arzt aber fest, dass mein Körper gegen beide Krankheiten keine AbwehrkrĂ€fte entwickelt hatte. Bei so einem neuen Wirkstoff denke ich, dass das ein Risiko ist â vor allem wenn es am Ende umsonst sein könnte." Sie gibt das Telefon weiter an ihre Kollegin, die danebensitzt und mitgehört hat: "Ich habe mich impfen lassen. Man geht ja nicht unbewaffnet in den Krieg."
NĂ€chster Anruf, ein Altenheim der Arbeiterwohlfahrt in NeumĂŒnster. Der Einrichtungsleiter ist wĂŒtend, will am liebsten direkt wieder auflegen. "Ich weiĂ nicht, woher diese Recherchen kommen", sagt er. Sensationsjournalismus! Nahezu hundert Prozent seiner Belegschaft wollten sich impfen lassen, aber in Schleswig-Holstein sei das noch gar nicht möglich. Die Regel sei: erst die Bewohner. Das Personal kann hingegen einen Termin im Impfzentrum buchen, "aber da muss man um 8 Uhr pĂŒnktlich online sein, und um 8.20 Uhr ist schon alles vergeben", sagt seine Pflegedienstleiterin. DafĂŒr habe niemand die Zeit.
"Es steht so viel im Internet, was falsch ist"
Anruf beim Deutschen Roten Kreuz in ThĂŒringen, Ramelows Bundesland. Gibt es dort bessere Zahlen als die nicht reprĂ€sentative E-Mail-Umfrage? WeiĂ das DRK, ob ungenutzte Impfdosen zurĂŒckgeschickt werden? Ob es zu viel gibt? Nein. Auch bei der kassenĂ€rztlichen Vereinigung, die die Impfungen in ThĂŒringen organisiert: keine Ahnung. Man weiĂ zwar, wie viele Impfdosen die Heime bestellen â aber nicht, was das fĂŒr die Impfquoten heiĂt.
Das Klinikum Dortmund sagt: 60 Prozent des gesamten Personals sind theoretisch bereit, geimpft zu werden. Das Herzzentrum in Leipzig: 95 Prozent der Ărzte, 75 Prozent der Pfleger. Ein Altenheim im Norden Hamburgs: zwei Drittel. Jörg Braun, Chefarzt einer Klinik bei Hamburg, berichtet ebenfalls von guten Zahlen: "70 Prozent wollen sich impfen lassen, ohne dass wir Werbung dafĂŒr gemacht hĂ€tten." Braun beschĂ€ftigt sich seit Jahren mit dem Thema Arztgesundheit â beziehungsweise mit der Tatsache, dass Ărzte oft nicht diejenigen sind, die sich am gesĂŒndesten verhalten. Manche lieĂen sich zum Beispiel nicht impfen, weil sie Angst hĂ€tten, dann einen Tag lang nicht arbeiten zu können. Oder weil sie ihr eigenes Immunsystem ĂŒberschĂ€tzten, was im Alltag fĂŒr sie schlichtweg notwendig sei â denn sonst mĂŒssten sie in andauernder Angst vor Infektionen arbeiten. "Aber bei Covid ist das anders als etwa bei der Grippeimpfung", sagt Braun. Seine Erfahrung: "Die persönliche Bedrohungslage fĂŒhrt dazu, dass viele jetzt sagen: Hier ist mein Arm."
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Auch Kordula Schulz-Asche, gesundheitspolitische Sprecherin der GrĂŒnen, hĂ€lt wenig von der aktuellen Debatte: "Es gibt derzeit keine valide Aussage darĂŒber, wie der Impfstatus des Pflegepersonals ist", sagt sie. Man wisse auĂerdem nicht, wie groĂ der Anteil derer sei, die eine Covid-19-Infektion durchgemacht hĂ€tten und sich deshalb nicht impfen lassen sollten, da sie ja bereits immun seien. "Wenn sich jetzt Arbeitgeber von PflegekrĂ€ften ĂŒber deren Impfbereitschaft beschweren, schieben sie damit Schuld von sich selbst weg. Denn sie wĂ€ren jetzt in der Pflicht, Fortbildungen anzubieten und ihr Personal zu informieren. Und zwar bevor das Impfteam ins Haus kommt."
BPA-PrĂ€sident Bernd Meurer, Inhaber von drei Pflegeheimen, wollte genau das tun: in einem seiner Heime eine Info-Veranstaltung fĂŒr die Mitarbeiter anbieten, um sie zum Impfen zu motivieren. Um ĂŒber GerĂŒchte aufzuklĂ€ren. Kurz vorher sei jedoch der Pflegedienstleiter auf ihn zugekommen: Es sei gar nicht nötig, man habe sowieso eine Bereitschaft von hundert Prozent. In einem anderen seiner Heime sei die Bereitschaft geringer â aber da waren auch bereits 35 Prozent der Belegschaft positiv getestet und genesen, sie bekommen also erst mal keine Impfung.
Anruf bei einer Pflegerin, 59 Jahre alt, die die Impfung ausgeschlagen hat: "Ich mache seit 40 Jahren Integral-Yoga. Das habe ich von meiner Mutter gelernt. Die ist 83 und isst seit 40 Jahren nur Rohkost. Ich selbst versuche, ein gesundes Leben zu fĂŒhren, durch ErnĂ€hrung und Sport, ohne Medikamente. Ich bin nie krank, obwohl ich auf der Infektionsstation arbeite. Nur einmal habe ich mir ein Norovirus eingefangen. Wer sich impfen lassen will, soll das auf jeden Fall tun. Ich selbst möchte das nicht. Ich bin der Meinung, dass ich bewĂ€ltigen muss, was im Leben auf mich zukommt. Und wenn es eine Impfpflicht gĂ€be ... gut, dann mĂŒsste ich auch das bewĂ€ltigen." Von den anderen Pflegern, sagt ihr Chef, wollten sich etwa 60 Prozent impfen lassen. Es gibt also genug Einrichtungen, die von dem Ergebnis der Umfrage abweichen. Vor allem aber gibt es viele einzelne Schicksale, Lebenseinstellungen, Sorgen, die nichts damit zu tun haben, dass es sich bei den Befragten um medizinisches Personal handelt. Wobei: NatĂŒrlich kann es sein, dass die Altenheime und KrankenhĂ€user zu der Frage lĂŒgen, wie hoch ihre Impfquoten sind. Weil ja alle wissen, was die sozial erwĂŒnschte Antwort ist.
Aber: Anruf in einem Altenheim bei Stuttgart. Die Pflegedienstleiterin klingt genervt. "30 Prozent wollen sich impfen lassen, 70 nicht. Einige haben zuerst ein klares Statement abgegeben, dass sie es nicht wollen â und die anderen folgten dem dann, anstatt sich selbst damit auseinanderzusetzen. Es steht so viel im Internet, was falsch ist. Das ist ein Riesenproblem. Immerhin wollen sich alle Bewohner impfen lassen. Aber im Moment gibt es ja eh keinen Impfstoff." Noch nicht alle Heime haben einen Impftermin bekommen.
Die Ersten, die sich der Entscheidung stellen mĂŒssen
Direkt danach, Anruf in einem Altenheim in DĂŒren: "Bei uns waren es nur 50 Prozent des Personals. Wir haben viele junge Mitarbeiterinnen â die haben Angst, dass sie nicht mehr schwanger werden können. Das ist ja so ein GerĂŒcht, das umgeht. Schlimm war, dass wir fast zeitgleich mit dem ersten Impftermin, also nach Weihnachten, einen Corona-Ausbruch hatten. Jetzt denken manche, das sei wegen der Impfung passiert."
Die Caritas betreibt 1800 Einrichtungen der stationĂ€ren Altenhilfe in ganz Deutschland, sollte also einen guten Ăberblick haben. TatsĂ€chlich: Angesichts der Nachrichten hat eine Pressesprecherin letzte Woche abgefragt, wie es in den einzelnen Regionen aussieht. Schaut man sich die Antworten an, die sie bekam, ergibt sich ein interessantes Bild: Die Divergenz der Impfquoten ist sehr groĂ. In Niedersachsen melden die Einrichtungen, dass in manchen Heimen nur 50 Prozent geimpft wurden, in manch anderen aber 90. Regionale Unterschiede spielen dabei keine Rolle; in Aachen liegen die Zahlen innerhalb des Stadtgebiets von Heim zu Heim genauso weit auseinander. Die Aachener Pflegereferentin der Caritas sagt dazu: "Mit jedem, der sich impfen lĂ€sst, nimmt die Zahl der impfskeptischen Mitarbeiter erfahrungsgemÀà ab." Denn viele sagen, sie wollten "erst mal abwarten", um zu schauen, "wie es sich entwickelt". Wie lange, das können sie selbst nicht recht sagen. Manchmal sind es nur drei Wochen: Zwei Einrichtungsleiter erzĂ€hlen, dass schon der Abstand zwischen dem ersten und zweiten Impftermin reiche, damit vorher skeptische Teile des Personals es sich doch noch anders ĂŒberlegen â wĂ€hrend die anderen dann schon die zweite Dosis erhalten, bekommen die Zögerlichen ihre erste.
Die Uni Rostock und das RKI befragen regelmĂ€Ăig ein reprĂ€sentatives Panel von Personen nach ihrer Impfbereitschaft. Darunter neben Altenpflegern auch HausĂ€rzte und Pfleger auf Geburtsstationen, die noch nicht geimpft werden. Auch die Aussagekraft dieser Studie ist also begrenzt. Die Bereitschaft des medizinischen Personals liegt zwar grundsĂ€tzlich ein wenig unter der Allgemeinheit, verlĂ€uft ansonsten aber parallel dazu. Seit ein paar Wochen, also seit der Impfstoff in Reichweite ist, tendieren beide Kurven nach oben. Die Impfbereitschaft nimmt also zu, nicht ab.
Impfen ist eine sehr intime Sache. Man lĂ€sst da schlieĂlich etwas in sich eindringen, freiwillig, worauf das eigene Innerste dann reagieren muss. Die EinwĂ€nde, die die Pflegerinnen und Ărzte formulieren, sind ebenso intim und individuell: Ich habe Sorge, dass es eh nicht wirkt. Ich war noch nie krank. Ich will noch abwarten. Ich bin so jung, dass das Virus mir nichts anhaben kann. So denken aber nicht nur Pflegepersonal und Ărzte. Diese EinwĂ€nde gibt es in der gesamten Bevölkerung. Die Pflegerinnen und Ărztinnen sind nur die Ersten, die sich der Entscheidung stellen mĂŒssen.
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FrĂ©dĂ©ric Lauscher ist Vorstand des Frankfurter Verbands, der acht Altenheime in Hessen verwaltet. Wie sieht es dort aus mit der Impfbereitschaft? "Extrem unterschiedlich", sagt Lauscher. "Ich habe das GefĂŒhl, es hĂ€ngt davon ab, welche informellen MeinungsfĂŒhrer es in einer Einrichtung gibt." Ob eher Angstmacher oder Motivatoren in der Belegschaft die Debatte dominieren, kann die Impfbereitschaft extrem beeinflussen. Das wĂŒrde die groĂe Spannweite der Impfquoten zwischen den Einrichtungen erklĂ€ren. "Menschen sind Herdentiere", sagt auch der Arzt Jörg Braun. Sie neigen dazu, ihre Entscheidungen danach zu richten, was die anderen tun â vor allem dann, wenn sie selbst uninformiert sind.
Auch die Politiker, die sich in den letzten Tagen zur mangelnden Impfbereitschaft des Pflegepersonals Ă€uĂerten, sind in gewisser Weise Opfer ihres Herdentriebs geworden. Ohne zu hinterfragen, ĂŒber welche Zahlen sie sprechen, woher diese kommen und welche GrĂŒnde es dafĂŒr gibt, sind sie einander gefolgt im Kommentieren und im Kritisieren. Viele der PflegekrĂ€fte hatten sich mit der Debatte noch gar nicht beschĂ€ftigt. "Wenn ich abends von der Arbeit komme, bin ich zu mĂŒde, um noch Nachrichten zu schauen", sagt eine der Krankenschwestern aus Karlsruhe.
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