Ich habe ein
#PinePhone Beta Edition bekommen und möchte meinen ersten Eintrag auf Hubzilla mal mit einem "kleinen Erfahrungsbericht" aus den ersten zwei Wochen starten - auch wenn ich nicht viel Zeit zum Testen hatte:
Vorweg: Wer ein Handy haben will, was man aus der Packung nimmt und welches dann läuft, der sollte $was_anderes kaufen. Das PinePhone ist jedenfalls GANZ SICHER NICHT out of the box von "normalen Endnutzern" einsetzbar!
Bevor man das Teil auch nur "in der Nähe von benutzbar" hat, wird man vermutlich viel Zeit mit dem Pine-Wiki, dem Pine-Forum und dem Arch-Wiki verbringen.
Ja, man benötigt tatsächlich ein wenig mehr Linux-Erfahrung (PinePhone weist darauf im Shop auch sehr deutlich hin!) - und man sollte durchaus über eine höhere Frustrationstoleranz verfügen und Spaß am Kaputtreparieren und wieder in Gang bringen haben ;).
Bestellt hatte ich mir dieses Teil hier:
PINEPHONE – Beta Edition with Convergence Package Linux SmartPhone
https://pine64.com/product/pinephone-beta-edition-with-convergence-package/Das sollte eigentlich per Kurier kommen (dafür wurde auch gezahlt), geliefert wurde es jedoch vom Standard-DHL-Boten. Eigentlich sollte Kurier ein anderer Bote sein. Zumindest war das bei meinem "Google Pixel C" so. Immerhin war es nach dem Versand recht schnell da.
Unboxing:Das Paket ist super schlicht und enthält neben dem PinePhone auch noch ein USB-A-C Kabel und das "Convergence Package", also einen USB-Hub mit ein paar Anschlüssen:
- 2x USB-A
- 1x HDMI
- 1x Netzwerkkabel
- 1x USB-C-Buchse zum zeitgleichen laden des PinePhones
Ein Ladegerät ist NICHT enthalten.
Dazu kommen noch ein paar Zettel mit Quickstartanleitung und ein paar wichtigen Infos, die man tatsächlich kurz lesen sollte.
Erster Systemstart:Das ist die Betaversion mit Manjaro Mobile und KDE Plasma.
Der Akkuladestand betrug beim ersten Anschalten: 66 %
Erste Einrichtungen: Zeitzone (längeres scrollen), Name, Benutzername, Passwort (nur Ziffern), WiFi (wegen des komplexen Passwortes erst einmal übersprungen); *kleines* Problem: englische Tastatur ist voreingestellt
Kopplung einer Bluetooth Tastatur: war sehr einfach.
Dann die Einrichtung des WiFI... Die Konfiguration fürs WiFi musste mehrfach aufgerufen werden, weil meist einfach nichts passierte. Oder weil ich zu ungeduldig war. Der Start der Konfigurationsapps kann offenbar auch gern mal "etwas (viel) länger" dauern.
Erste Anpassungen und Updaten:Als aller erstes sollte man (bevor man IRGEND ETWAS ANDERES MACHT!) den ssh-Dienst aktivieren und prüfen, ob er läuft:
sudo systemsctl enable --now sshd
systemctl status sshd
Wenn man im Terminal "ifconfig" statt "ip" gewohnt ist, sollte man auch direkt noch "net-tools" installieren:
pacman -S net-tools
Das hat zwei Gründe: Zum einen kann man den ganzen Terminal-Kram einfach leichter über den PC mit einer "richtigen" Tastatur machen, zum anderen rettet einen das, wenn das Display schwarz bleibt (s.u.)
Dann als erstes mal Update gemacht (sudo pacman -Suy). Die Größe des ersten Updates war ca. 1 GB. Das klingt viel, ist für Arch Linux (Manjaro ist ein Arch-Derivat) aber eine recht übliche größenordnung. Das Runterladen hat etwas länger als gewohnt gedauert, da das PinePhone nur 2 GHz WiFi verfügt. Die Installation hat auch eine Weile gedauert. Auch hier war ich offenbar zu ungeduldig und nahm an, dass "irgend was fundamental abgestürzt sei" (und habe mich geärgert, dass ich das Update über den Terminalemulator statt über SSH angestoßen hatte).
Jedenfalls habe ich den Updateprozess offenbar irgendwo unterbrochen und das Gerät baute nach dem Neustart keine Netzwerkverbindung mehr auf
Alle Net-Devices waren "down". Ich bin mir nicht mehr sicher, wie ganz genau ich das wieder ans laufen bekommen habe, aber ich vermute, dass der Schlüssel das Convergence Package war, weil ich nach Blick auf die bash-History GLAUBE, dass ich die Kabel-Schnittstelle mit
ip link set wwan0 up
zum laufen bekam. Später habe ich auch noch ein
ip link set wlan0 up
gemacht - wobei ich nicht mehr beurteilen kann, ob das jetzt die Lösung war oder ob das Lösen der Display-Probleme (also das einloggen in KDE) das gelöst hat.
Nach dem Neustart nach dem Update blieb der Screen dann schwarz. Da gab es dann gleich zwei Probleme:
1. Das Backlight stand auf Helligkeit 0. Hier zu war ein:
sudo echo 2000 > /sys/devices/platform/backlight/backlight/backlight/brightness
erforderlich. Im laufe der nächsten Tage stellte sich heraus: Das Problem taucht öfters mal auf :(.
2. Dann konnte man sich immerhin wieder einloggen. Dann wurde der Screen wieder schwarz, nur die Maus (bedient durch die externe BT-Tastatur) war zu sehen.
Offenbar war die KDE-Konfiguration beschädigt und musste gelöscht werden:
cd ~./config
mkdir alt
sudo mv -fr k* alt
sudo systemctl restart sddm
Danach funktionierte der Login wieder. Also konnte man die alte KDE-Konfiguration löschen:
sudo rm -Rf alt
Dann wollte ich noch einige Pakete nachinstallieren, aber es stellte sich ein weiteres Problem: Pacman verweigerte die Arbeit, mit Fehlermeldungen wie:
error: failed retrieving file 'mobile.db' from manjaro.re: error setting certificate verify locations: CAfile: /etc/ssl/certs/ca-certificates.crt CApath: none
Das kam dann für ALLE Repos und alle Mirrors. Nach eingigem Suchen war klar, dass alle Pakete "ca-cert*" reinstalliert werden müssen. Die konnte ich immerhin aus dem Pacman-Cache installieren:
cd /var/cache/pacman/pkg
sudo pacman -U ca-certificates-*
Danach klappte "sudo pacman -Suy" auch wieder.
Was mich mittlerweile kolossal nervte war die fehlende Befehlsvervollständigung. Also habe ich "bash-completion" nach installiert
pacman -S bash-completion
und über "nano ~/.bashrc" die .bashrc meines PC da hinzugefügt. Dann ist das Arbeiten in der Shell auch deutlich angenehmer...
Ein paar Pakete sind natürlich "must have". Allen voran: "yay", welches netterweise in den mobil-Quellen von Manjaro enthalten ist.
pacman -S yay
Dann also mal anfangen, die Bedienung zu testen:
Das Teil hat einen (mich nicht sehr zufriedenstellenden) Browser namens "Angelfish".
Firefox läuft auch, aber... Die Desktop-Version ist halt "eher so mittel" bei Touch-Bedienung... In jedem Fall hilft es, wenn man ein spezielles Mobil-"userChrome.css", welches von PostmarketOS kommt:
pacman -S firefox mobile-config-firefox
Dann muss man das neue userChrome.css in den eigenen Profilordner kopieren:
cp /etc/mobile-config-firefox/user* ~/.mozilla/firefox/profile/chrome/
"profile" ist dabei der von FF bei der Erstellung des Profils generierte Random-String.
Ich hatte zuerst mein Profil vom PC mit Filezilla über SFTP kopiert. Das hat sich als "keine gute Idee" raus gestellt. Ich hatte massive Probleme mir der Darstellung und auch die kopierte userChrome.css war nur für ein paar Minuten eine Hilfe. Letztlich habe ich dann das Profil neu aufgebaut und meine ganzen Addonsettings am PC exportiert und auf dem PinePhone manuell importiert. Das hat dann immerhin den Vorteil gehabt, dass ich keinen Ärger mehr mit "gewachsenen Altlasten" hatte.
Ein weiteres Ärgernis war die Tastatureinstellung. Nicht die der Bildschirmtastatur, das geht bequem über die Plasma-Einstellungen. Es Einstellungsoptionen für die BT-Tastatur. Letztlich habe ich das klassisch über die Shell lösen müssen:
Also erst mal das Envieroment auf Deutsch gestellt:
localectl list-locales
localectl set-locale de_DE.UTF-8
Und dann die das Keyboard-Layout auf Deutsch geschaltet:
localectl list-x11-keymap-layouts
localectl set-x11-keymap de
Jetzt zum eigentlichen ersten Eindruck bei er Bedienung:Performanz:Der Start von Apps dauert immer ein wenig.
Auch bei laufenden Programmen muss man sich manchmal etwas gedulden.
Markieren von Text: Touch-Markierung bis zum Rand geht (noch?) nicht (gut) bzw ich bekomme es nicht gut hin.
Kamera:Die Kamera funktioniert "nicht gut". Erwartet habe ich nicht viel. Ob es an der Hardware liegt oder and der Software (Megapixels): Der Autofocus funktioniert nicht besonders gut, weshalb die Bilder schnell unscharf sind. Offenbar scheint es da aber (laut Forum) durchaus Unterschiede zwischen der verschiedenen Distributionen zu geben. Insofern besteht also Hoffnung, dass das besser werden wird.
Audio:Die Audioausgabe entspricht den Erwartungen: Das ist ein SEHR günstiges Gerät. Der Lautsprecher ist auf der Rückseite des Geräts. Schwächen sind vor allem bei den Mitten vorhanden, die sehr zum Knistern neigen. Im Hochtonbereich ist auch Klirren zu hören. Die Bösse sind überraschend sauber, aber natürlich nicht druckvoll. Es ist also genau das, was man von einem Gerät in dieser Preisklasse meiner Meinung nach auch erwarten kann. Vielleicht sogar ein klein wenig besser als erwartet. Der Ton ist für Hörbücher z.B. vollkommen in Ordnung. Musik sollte man allerdings lieber über Kopfhörer hören. Die Klangqualität über die Ausgabe der Kopfhörerbuchse entspricht der meines Oneplus 7 Pro.
Die vorinstallierte Musikplayer App „Vvave“ gefällt mir überhaupt nicht. Man kann zwar in einem Ordneransicht gehen, die Einzeltitel im jeweiligen Ordner werden jedoch vollkommen unsortiert abgespielt. Ein Sortieren nach Dateinamen scheint nicht möglich zu sein (oder es zumindest nicht leicht zu finden). Hörbücher kann man damit jedenfalls nicht sinnvoll abspielen! Qmmp läuft jedoch sehr gut, man muss nur erst in den Einstellungen das Pulsaudio-Plugin als Ausgabe auswäheln.
Plasma Mobile:Wirklich nervtötend ist jedoch etwas ganz anderes: Plasma mobile
Wenn alles funktioniert, bedient sich das eigentlich ganz angenehm. Aber die Oberfläche neigt regelmäßig zum abstützen/hängen. Wenn man die GUI Skalierung von 200 % auf z.B. 180 % verringert, kann man die Topbar nicht mehr nutzen/herunterziehen. Die automatische Bildschirmdrehung ist häufig falsch und de facto ist man sehr häufig über SSH mit sudo reboot" zugange. Das bestehende Problem der Brightnesseinstellungen ḱommt dann noch hinzu; aber zum glück nicht soooo oft... <grummel>
Adressbuch:Eine Überraschung war das Einpflegen meines Adressbuchs: Während ich noch überlegt habe, wie ich am einfachsten mein Nextcloud-Kalender und -Adressbuch übertrage, war KDE-Connect offenbar so frei, das mal eben von meinem Handy "abzugreifen".
Telefonie:Mein Carrier ist MedionMobile (O2). Telefonieren tut's direkt sehr gut. Etwas lästig ist nur der SIM-Adapter für meine Micro-SIM. Das geht zusammen mit dem Adapter nur sehr fummelig rein. Beim Herausnehmen fehtl eine "Auswurfhilfe". Ich habe den Adapter mit der Karte nach dem Test letztlich mit einem Tesafilm-Streifen rausgezogen.
Die Sprachqualität beim Telefonieren ist vollkommen in Ordnung. Ein Headset habe ich nicht getestet.
Mobile Daten habe ich ad hoc nicht zum Laufen bekommen und hatte auch als ich das getestet hatte keine Zeit, das lange zu recherchieren. Aber es könnte sein, dass der APN manuell konfiguriert werden muss.
Akkuverbrauch:Der Akkuverbrauch schwankt extrem. Updates verbrauchen (erwartungsgemäß) richtig viel, zu Firefox habe ich noch keine richtige Meinung und wenn man es zur Seite legt ist es extrem sparsam.
Was auch auffällt: Der Akku lädt nicht vollständig durch. (Laut PinePhone-FAQ soll das "normal" sein bzw. eine Sicherung einiger Distributionen, um die Lebensdauer des Akkus zu verlängern.)
Reparierbarkeit/Nachhaltigkeit:Das PinePhone dürfte ein Träumchen für Entwickler sein - ich bin halt nur keiner. Aber man kann offenbar alle Komponenten tauschen/ersetzen. Zudem sind die Schaltschemata öffentlich zugängig. Ich habe außer dem Akku jedoch nichts herausgenommen oder verändert. Der Akku ist ein "Standard-Akku", kompatible Akkus werden ausdrücklich unterstützt.
Bisher nicht getestet:• GPS/Navigation
• Killswitches
• Aufnahmequalität (Mikrofon)
• Signal/Axelotl
• Telegram (den vorinstallierten Client habe ich direkt entsorgt; ich habe keine Verwendung für einen unsicheren Messenger)
• E-Mail (Thunderbird ist mir dafür "zu fett"; ich muss erst noch nach einem brauchbaren anderen lightweight-IMAP-Client suchen)
• Andere Distributionen
Mein erstes Zwischenfazit: Es war jedenfalls kein Fehlkauf. Zum einen habe ich kein Superduper-Produktivgerät erwartet und wusste aus zahlreichen anderen berichten, dass der Nutzen noch eher rudimentär sein wird. Bei allem Herumgeärger mit zahlreichen „Kleinigkeiten“, die dann gern mal das Gerät unbenutzbar machen, wird aber auch ein richtig tolles Potenzial deutlich. Die Community ist offenbar sehr aktiv, so dass immer mehr Probleme wegfallen. Ich habe in Rezensionen auf Youtube etc. so viele „tut’s nicht“-Dinge gesehen, die offenbar jetzt funktionieren. Insofern bin ich da durchaus optimistisch, dass man das in nicht all zu ferner Zukunft auch richtig im Alltag nutzen können wird.
Für mich stellt sich erst einmal das Problem der Mobildaten als besonders schlecht heraus. Würde das funktionieren, würde ich es vermutlich zumindest eine Zeit lang als Standardgerät testen.
Ich hatte zwar geplant, das Gerät nach meinem Testlauf „fertig eingerichtet“ abzugeben, aber ich schwanke. Es fühlt sich sehr gut an, ein Smartphone in der Hand zu haben, in dem weder Apple noch Google noch Samsung noch ein anderer Hersteller seine Spyware verankert hat. Vielleicht behalte ich es doch – das werde ich entscheiden, wenn ich mal zwei drei Wochenenden mehr wirklich Zeit habe, mir das alles näher anzusehen. ;)