Dunkelflauten-Adventskalender TĂŒrchen 2: Nein, der Strom war letzte Woche nicht viel teurer als mit Atomkraft(das ist TĂŒrchen Nummer 2. Solltet Ihr es verpasst haben, findet ihr
hier TĂŒrchen Nummer 1)
WAS, 90 Cent pro Kilowattstunde, seid ihr komplett bescheuert oder was? So oder so Ă€hnlich schallte es letzte Woche mutmaĂlich aus einer Menge MĂŒnder, als die Börsenstrompreise Rekordhöhen erreichten. Wobei ich bezweifle, dass es die Strompreise selbst waren, denn auf die meisten Menschen haben kurzzeitige Preisspitzen so wenig Auswirkung die schwankende Umlaufbahn eines der kleineren Jupitermonde. Was schon eher eine Auswirkung auf ihre Laune hat, sind die Schlagzeilen ĂŒber Strompreise, und davon gab es reichlich:
âWenn die Dunkelflaute die Strompreise treibtâ (SZ),
âWarum die schwedische Energieministerin auf Deutschland schimpftâ (Spiegel),
âProblem der âDunkelflauteâ: Strompreis kurzfristig auf neue Spitze gestiegenâ (Tagesschau),
âDunkelflaute: Darum ist Strom gerade so teuerâ (Zeit),
âDunkelflaute lĂ€sst Strompreise explodierenâ (ZDF), und das sind noch die besseren Ăberschriften.
Wer es knalliger und ganz schlicht will, scrollt wie zumeist beim focus vorbei, da darf eine Kolumnistin bar jeder Kenntnisse zum europĂ€ischen Stromhandel ihre persönliche Paranoia ausleben und war laut eigener Aussage âverzweifeltâ. Meine GĂŒte, dafĂŒr dass sich beim focus gerne ĂŒber Befindlichkeiten anderer Leute lustig gemacht wird, ist man dort ganz schön wehleidig aufgestellt angesichts punktuell hoher Strompreise.
Ja, punktuell. Was ich in den meisten Artikeln bzw. in den Kommentarspalten darunter vermisst habe, war eine Einordnung, wie oft derartige Preise erreicht werden. Die 940 Euro/MWh oder 94 Cent/Kilowattstunde
waren fĂŒr Energieprofis irritierend, weil unsere installierte Leistung solche Preise eigentlich verhindern sollte. Eine private Verbraucherin mit normalem Stromtarif bekam von den Verwerfungen an der Börse aber ohnehin nichts mit, sie konnte sich mit ihrem festen Tarif auch am 12.12.2024 um 18 Uhr fĂŒr 30 Cent pro Kilowattstunde Teewasser aufkochen.
Bei Menschen mit flexiblem Stromtarif sah das mit 94 Cent/kWh in der Tat anders aus,
aber 3 Stunden spĂ€ter lag der Preis auch fĂŒr sie schon wieder bei moderaten 17 Cent/Kilowattstunde. Ja, es gibt schönere Dinge in der Vorweihnachtszeit, aber das alles war nichts gegen die Verwerfungen vor ziemlich genau 2 Jahren. Da stiegen die Börsenstrompreise
auf nicht ganz so hohe 66 Cent pro Kilowattstunde, aber
sie blieben die ganze Werkwoche sehr hoch.
Komisch, da kam wenig Kritik und Verzweiflung und auch die schwedische Energieministerin, die laut vieler Medien aktuell wegen der Strompreise sauer auf Deutschland ist, verhielt sich auffÀllig still. Das könnte eventuell daran liegen, dass die Ursache vor 2 Jahren nicht nur eine Dunkelflaute war, sondern dass
die Kernkraft in Frankreich groĂe Probleme hatte
und zur Zeit hoher Preise 8 Gigawatt bzw.
10 Prozent seines Tagesverbrauchs aus dem Rest Europas importierte. Reaktion der deutschen Medien: Stille, Grillenzirpen, eine WĂŒstenhexe wedelte vorbei.

Auch von Ebba Busch wurde dazu, die auch zu diesem Zeitpunkt schon schwedische Energieministerin war, wenig getweetet (hauptsĂ€chlich WeihnachtsgrĂŒĂe). Da sie eine Verfechterin neuer Atomkraftwerke in Schweden ist, könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Ursache der hohen Preise im Winter 2022 einfach nicht gut zu ihrer politischen Agenda passten, um sie zu thematisieren, denn da hatte Deutschland noch aktive Atomkraftwerke. Die Situation 2 Jahre spĂ€ter aber schon. Zu dieser Haltung kann man nun stehen, wie man will, aber dass sie nicht gerade als objektive Stimme in der Frage europĂ€ischer Stromerzeugung in Frage kommt, sollte doch irgendwie klar sein. Nicht wahr, liebe deutsche Medien?
Gut, aber wieso waren die Preise jetzt ĂŒberhaupt (
ĂŒbrigens in halb Europa) so hoch? Weil Wind und Sonne gefehlt haben, sagen die einen. Ja schon auch, aber fĂŒr solche Tage haben wir ja eigentlich
100 Gigawatt wetterunabhÀngige Kraftwerke, die auch ganz allein den Bedarf decken können. Der Verdacht der
vieler Fachleute war, dass von diesen weniger liefen als fĂŒr diese Tage vorgesehen ist
und dass die Versorgung dennoch sicher war.
Auch ich verstieg mich letzte Woche zu der Aussage, dass die Kraftwerksbetreiber an dem Tag offenbar weniger Strom erzeugten als sie eigentlich laut Kraftwerksliste könnten,
andere sprachen unverblĂŒmt von Marktmanipulation (ein bislang unbelegter, in meinen Augen recht gewagter Vorwurf). TatsĂ€chlich kann man in Portalen wie Energy-Charts sehen, dass die fossile Stromerzeugung im Vergleich zum gleichen Tag im Jahr 2022 trotz Ă€hnlicher Witterung scheinbar deutlich niedriger lag.
Nur 19 von verfĂŒgbaren 36 Gigawatt Erdgas bevölkerte laut diesen Daten das Netz und so haben wir uns natĂŒrlich gefragt, was da los ist.
Wieso sollte der Betreiber eines Gaskraftwerks das nicht hochfahren wenn er 900 Euro fĂŒr eine Megawattstunde bekommt? Mein Tipp an euch: Wird der Strom so richtig teuer und ihr besitzt ein 100-MW-Gaskraftwerk, dann werft es an und werdet stinkreich damit. Allein in der Stunde von 17 bis 18 Uhr am 12.12.2024 hĂ€ttet ihr damit knapp 100.000 ⏠Umsatz gemacht. Sollte der hier mitlesende Pöbel hingegen kein Gaskraftwerk besitzen (schĂ€mt euch): Das Gas hierfĂŒr kostet
aktuell etwa 8.000 âŹ, die Nummer ist zu solchen Zeiten also eine Lizenz zum Geld drucken.
Was ich nicht wusste: Die Daten sind nur eine NĂ€herung, weil sehr viele dieser Kraftwerke gar nicht in Echtzeit berichten, wie viel sie erzeugt haben. Sollte Euer Gaskraftwerk nĂ€mlich nur 99 Megawatt schaffen, seid ihr von der viertelstĂŒndlichen Berichtspflicht befreit und mĂŒsst nur am Ende des Monats einmal sagen, wie viel ihr produziert habt. Wie viel am 12.12.2024 um 18 Uhr von euch kam, wissen wir nicht. Die Daten in den Portalen sind daher auch nur SchĂ€tzungen.
An diesem Tag hat aber tatsÀchlich einiges in unseren Kohlekraftwerken geknirscht, so dass es
bei den GroĂkraftwerken gleich mehrere Komplett-AusfĂ€lle gab. Der Bundesverband Erneuerbare Energie geht insgesamt von etwa 10 Gigawatt Gaskraft fehlten und 7 Gigawatt Kohlekraft â was sich ganz gut
mit unseren Importen an diesem Tag deckt.
Aber wenn das der Grund war, ist es dann fair, den Erneuerbaren die Schuld zu geben? Ja, die haben keinen Strom geliefert. Logisch, war ja auch windstill. Aber angenommen, ihr sollt auf eine Herde Wombats aufpassen (diese possierlichen Kreaturen aus Australien), meldet euch dann krank und eure Vertretung kommt einfach nicht, weil auch krank â wer hat dann den Wombat-Ausbruch zu verantworten? Ihr? Eure Vertretung? Oder die Person, die diesen löchrigen Schichtplan aufgestellt hat?
Dieses Fingerpointing hilft uns aber ohnehin nicht weiter, denn die zu Grunde liegende Situation mit schwankender Stromerzeugung aus Wind und Solar wird in Zukunft noch zunehmen. Wer wissen will, was daran wirklich ein Problem ist und was nicht, dem/der sei
das wohltuend sachliche Interview mit Energieökonom Lion Hirth und der Chefin des Branchenverbandes BDEW in der FAZ empfohlen. Schwankende Preise sind hiernach prinzipiell nichts Ungewöhnliches und auch kein ĂŒberraschendes Marktergebnis, auĂerdem sind sie wichtige Anreize fĂŒr Speicher und flexible Nachfrage.
Hört also bitte den Expertinnen in dieser Sache zu, die die Preise wie letzte Woche durchaus thematisieren, aber eben damit wir unsere Systeme Àndern, nicht um Panik zu verbreiten oder die Atomdebatte zum zwanzigsten mal aufzuwÀrmen.
Es gibt ja tatsĂ€chlich ein paar Designfehler, die das Problem kĂŒnstlich gröĂer machen, als es ist. Deutschland liegt fatal weit hinten beim Ausrollen von Smart Metern fĂŒr flexible Stromtarife, hat gerade technische Probleme bei der Kohlekraft, zu wenig Speicher und keine Strompreiszonen. Noch etwas irrer:
Laut Lion Hirt (erklÀrt er im gleichen FAZ-Artikel) bekommen energieintensive Unternehmen mit hohem Verbrauch 80% Rabatt auf die Netzentgelte, aber nur wenn sie sich verpflichten, kontinuierlich Strom abzunehmen. Auch bei europaweiter Knappheit mit Rekordpreisen. Auch am letzten Donnerstag um 18 Uhr. Aaaah!
Stellt euch das vor, ihr betreibt eine fette Aluminiumschmelze und seht, dass der Strom gegen Abend schmerzhaft teuer werden wird (die Prognosen liegen lange vorher vor). Eine kluge Betriebsleiterin wĂŒrde dann den Verbrauch fĂŒr 4 Stunden drosseln, dabei Geld sparen UND den Preis damit fĂŒr alle anderen ebenfalls senken. Dieses Verhalten wĂŒrde aber aktuell bestraft werden mit Entzug des Rabatts von 80%.
Hier könnt ihr ganz gut sehen, wer es in dieser Debatte ehrlich meint und wer nur Stimmungsmache betreibt. Die Preise thematisieren, um endlich die lange diskutierten Lösungen dafĂŒr umzusetzen, ist vollkommen legitim. Sich mit verschrĂ€nkten Armen hinstellen und die Preise als Anlass dafĂŒr nehmen, keine Erneuerbaren mehr zu wollen, ist hingegen unglaubwĂŒrdig.
Und eine Sache haben die Preise ja bereits geschafft: Ein Batterietsunami
von 160 Gigawatt Leistung rollt auf uns zu (yeah). Selbst wenn davon bis 2026 nur die HĂ€lfte gebaut wĂŒrde, wĂ€re das deutlich mehr als das Energieministerium fĂŒr das Jahr 2045 geplant hat. Damit ĂŒberbrĂŒcken wir zwar keine mehrere Tage andauernde Dunkelflaute, aber ein paar Stunden Stromspitzen bekommen wir damit sehr gut in den Griff.
Was uns zu TĂŒrchen 3 fĂŒhrt: Wie viel Speicherstrom brauchen wir denn eigentlich fĂŒr eine ordentliche Dunkelflaute?
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Der Graslutscher.