Wenn der Strom versiegt...

2024-09-01 22:15:36

derpepe@nomad.pepecyb.de

Wenn der Strom versiegt... - PepeCyB's Welt Wenn der Strom versiegt...

...ist es nicht unbedingt ne Klimakatastrophe. Mike Macgirvin, umtriebiger und sehr aktiver Programmierer von Serveranwendungen, 'Vater' von Friendica, Hubzilla, Zap, Osada und des Streams-Repo hat…

#streams

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2024-09-02 09:37:27

Jupiter Rowland

jupiter_rowland@hub.netzgemeinde.eu

Wenn ich mir die Situation so ansehe, würde ich sagen: Mike hat sich in den letzten zwei Monaten ziemlich verrannt.

Er hat ganz einfach völlig falsch eingeschätzt, welche Komplikationen das Implementieren von FEP-ef61 mit sich bringen würde. Er hielt das für relativ trivial. So trivial, daß es seiner Ansicht nach einzubauen gehen müßte in etwas, das offiziell als "stabil" gilt. Und Mike hat ab und an neue Releases produziert, indem er den Dev-Branch so, wie er war, in den Release-Branch gemerget hat.

Als er mit Zot anfing, hat er als erstes Red von Friendica geforkt und es dann sukzessive komplett auf Zot umgebaut. Als Hubzilla fertig war, schien er immer noch den Code der Red Matrix zum Experimentieren zu haben. Als Zot6 sein Ziel wurde, hat er Osada und Zap von Hubzilla geforkt und damit weiterentwickelt. Als dann Zot8 auf der Tagesordnung stand, hat er das inzwischen stabile Zap geforkt. Zwischen Zap und (streams) lagen vier Projekte.

Und jedes Mal hat er die stabilen Daily-Driver-Projekte an ihre jeweiligen Communitys übergeben, um sich auf die neuen Experimente konzentrieren zu können.

Als er dann aber ActivityPub nomadisch machen wollte, nahm er das stabile (streams), das von ein paar Dutzend Leuten als Daily Driver genutzt wird, als Experimentierplattform. Zugegeben, das Repository hat sieben Branches, so daß sich da wenig in die Quere kommen konnte. Aber die Implementation dezentraler IDs nach FEP-ef61 ging in den Release, als sie allenfalls unter Laborbedingungen getestet war.

Und da gingen die Probleme los. Das bis dahin ziemlich stabile (streams) föderierte auf einmal mit fast gar nichts mehr. Mike hatte alle Hände voll damit zu tun, das zu reparieren, so daß er zu fast nichts anderem mehr kam. Bis heute gibt es Probleme.

Das wurde Mike, der schon Mistpark auf seiner Farm im australischen Outback entwickelt hat, zuviel. Erst hat er sein Profilbild schwarz gemacht. Dann hat er angekündigt, die Entwicklung von (streams) einzustellen. Von einem Tag auf den nächsten. Und noch dazu in einem Post nur an seine Verbindungen und nicht etwa im offiziellen (streams)-Forum, nicht mal im Tea Garden.

Erst ein paar Tage vorher hat er Forte von (streams) geforkt. Damit wollte er auf die "Erfordernisse" des von Mastodon dominierten Fediverse besser eingehen: Es ist wieder ein Projekt, es hat wieder einen Namen, und es steht unter Copyright. Die hauptsächliche Änderung gegenüber (streams) hätte man ahnen können: Forte unterstützt nur noch ActivityPub; Nomad und Zot6 sind komplett rausgeflogen.

Daß Mike auch Forte komplett aufgibt, ist aktuell unwahrscheinlich, weil immer noch Commits auftauchen. Aber ohne die beiden eigentlich funktionierenden nomadischen Protokolle und ansonsten auf dem Stand von (streams) ist Forte als Daily Driver ungeeignet. Und selbst wenn es weiterentwickelt wird, dürfte es lizenzrechtlich schwierig sein, seinen Code nach (streams) zurückzuportieren.

Jetzt kommt erschwerend hinzu, daß (streams) in den knapp drei Jahren, die es existiert, nur sehr wenige Nutzer angezogen hat.

Zum Vergleich: Friendika war etwa ein Jahr nach seinem Start schon um einiges größer. 2012 gab es schon reihenweise Friendica-Instanzen mit etwas über 100 Nutzern, die ihre Registrierung schließen mußten. Und Friendica lebte fast nur von Mundpropaganda und dem einen oder anderen Auftritt auf Veranstaltungen wie dem CCC. Über die Mundpropaganda wurden hier und da Medien drauf aufmerksam, die aber kaum mehr als einmal davon berichteten. Mike wundert sich heute noch, warum es so "schlecht" angenommen wurde, aber er selbst hat dafür null Werbung gemacht und dachte, wenn er es baut, werden sie kommen.

Ich meine, woher rekrutierten sich denn die Friendica-Nutzer? Ein paar Bekannte anderer Friendica-Nutzer. Ein paar diaspora*-Aufsteiger. Ein paar, die z. B. auf dem CCC davon hörten. Ansonsten Leute, die nach einer Facebook-Alternative googleten und entweder erst auf Friendica stießen, oder die nicht gleich nach diaspora* gingen, ohne weiterzugooglen, und dann feststellen, guck mal an, da gibt es etwas, das nicht in einem Alpha-Stadium vor sich hindümpelt und sehr viel mehr kann als diaspora*. Außerdem auffallend viele linksalternative Aktivisten, die sich wohl an einem Ort austauschen wollten, der den Behörden noch weniger bekannt war als diaspora*.

Heute hat Friendica locker über 1.000 monatlich aktive Nutzer und wohl ein ganzes Team, das sich darum kümmert. Es nimmt auch ständig Leute auf, die festgestellt haben, wie Mastodon sie einengt.

Hubzilla hatte noch einen schwierigeren Start. Das hat Mike auch nicht beworben. Die einzigen, die über ihn von Hubzilla erfuhren, waren seine Kontakte. Und mediale Coverage bekam Hubzilla auch nicht mit Ausnahme eines Artikels auf gnulinux.ch und einer Folge in Besser - Der Podcast.

Ich weiß noch, jahrelang war Hubzilla sogar auf Friendica völlig unbekannt, und Friendica war der Ort, von dem praktisch alle Hubzilla-Nutzer der ersten Jahre kamen. Hubzillas Wachstum ging so träge voran, daß Friendica den Abgang von Nutzern mehr als ausgleichen konnte. Vielleicht spielte bei denen, die auf Friendica von Hubzilla hörten, noch Friendicas eigener gewaltiger Ressourcenbedarf mit. Es war kaum vorstellbar, daß Hubzilla, das ja noch mächtiger war, nicht noch mehr Serverlast verursachen würde.

Diejenigen, die umstiegen, waren entweder gespannt auf Hubzillas neue Features, die Friendica nicht hatte. Oder ihnen war gerade der Node unterm Hintern zusammengeklappt, und sie wollten, daß das beim nächsten Mal glimpflicher ausgeht.

Inzwischen funktioniert das nicht mehr. Wer schon länger auf Friendica war, bleibt da meistens auch. Neue Hubzilla-Nutzer kommen meistens von Mastodon und machen gerade eine Runde durchs halbe Fediverse, um alles mal auszuprobieren. Die wenigsten bleiben.

Entsprechend sieht's mit der Entwicklung aus. Das ganze Heavylifting wird von Mario fast im Alleingang gemacht, und das, wo Hubzilla noch einiges mehr an Code hat als Friendica. Harald ist der zweite ständige Entwickler, hat aber wenig Zeit. Kein Wunder also, daß in mancherlei Hinsicht Friendica fortschrittlicher ist als Hubzilla, wo Featurewünsche allenfalls eine Chance hätten, wenn man gleich einen stabilen Pull Request einreichen würde.

Bei (streams) sah es von vornherein ganz anders aus. (streams) ist auf Hubzilla schon lange bekannt wie ein bunter Hund. Und (streams) ist Mikes einzige Kreation, die er im Fediverse beworben hat. Trotzdem hat es vielleicht anderthalb bis zwei Dutzend aktive Nutzer, wenn's hochkommt.

Neue Nutzer kommen, wenn sie denn kommen, am ehesten von Hubzilla. Das sind dann Leute, denen die Entwicklung auf Hubzilla zu langsam vonstatten geht, die also etwas Fortschrittlicheres suchen, und die bereit sind, gewisse Hubzilla-Features zu opfern, die sie eh nie genutzt haben. So manch einer ist umgestiegen oder nutzt beides, weil sich (streams) eleganter bedient als Hubzilla und auch sonst den einen oder anderen Vorteil hat.

Es gibt aber sicherlich auch die, die in (streams) nur "Hubzilla light" sehen und eine Light-Version gar nicht brauchen, zumal Hubzilla schon weniger Serverressourcen braucht als Mastodon. Oder die, die immer noch irritiert sind von dem Wald an Projekten, die Mike Anfang der 2020er ins Leben gerufen hatte. Erschwerend kommt hinzu, daß Umziehen von Hubzilla nach (streams) nur ohne die Verwendung von nomadischer Identität geht, was für Hubzilla-Verwöhnte zu umständlich ist, und der umgekehrte Weg offiziell unmöglich ist und der Versuch ganze Hubs abschießen kann.

Von Mastodon kommt derweil wohl niemand nach (streams). Das liegt nicht etwa daran, daß (streams) noch abgehobener ist als Hubzilla, denn das ist es tatsächlich gar nicht. Eigentlich ist (streams) mehr down-to-earth als Hubzilla und irgendwo zwischen Friendica und Hubzilla anzusiedeln.

Vielmehr liegt es daran, daß (streams) sich selbst versteckt. Das war von vornherein Mikes Intention, weil er auf die üblichen Popularitätswettbewerbe keinen Bock hatte. (streams) wurde absichtlich von allen Fediverse-Websites mit Instanzlisten ferngehalten, und Mike hat praktisch den kompletten Nodeinfo-Code rausgerissen, damit es auch ja keine Statistiken übermitteln kann. Was aber weder auf der FediDB noch auf dem Fediverse Observer noch auf The Federation zu finden ist, nicht mal auf Fediverse.party, kann ebensogut auch gar nicht erst existieren. Instanzencrawler hätten eh keine Chance, weil (streams)-Instanzen keine einheitliche Kennung haben, die von solchen Crawlern erfaßt werden könnte. Das heißt, wer (streams) ausprobieren will, scheitert schon daran, keine Instanzen zu finden.

Hinzu kommt die Namenlosigkeit. Ich wage zu behaupten, das schreckt auch einige ab. Überhaupt hat Mike versucht, (streams) zu sehr anders als der Rest des Fediverse zu machen. Sogar da, wo es nicht nur unnötig war, sondern kontraproduktiv. Und ich meine weder nomadische Identität noch die Kanäle noch das Kommunikationsmodell.

Aktuell ist (streams) sogar in einem Zustand, in dem man hoffen kann, daß niemand neu dazustößt, der das ganze aktuelle Drama nicht kennt. Es hilft ja nichts, daß das Drama fast weitestgehend hinter verschlossenen Türen abläuft, zum einen in einem Thread, den nur Mike und seine Kontakte sehen können, zum anderen im Tea Garden, bei dem ActivityPub aus ist.

Und jetzt hat Mike die Brocken hingeworfen und (streams) der Community übergeben, ob sie das annimmt oder nicht, um vielleicht, vielleicht aber auch nicht, Forte weiterzuentwickeln, das vor ein paar Tagen noch seine Vision des Fediverse von 2030 war. Jetzt hat die winzige (streams)-Community quasi die Pistole auf der Brust und muß aus (streams) wieder etwas Brauchbares bauen. Wohlgemerkt, ohne auch nur einen einzigen wirklich fähigen Coder zu haben.

Vielleicht sollte man wirklich auf das Angebot des einen Typen eingehen, (streams) von Grund auf neu zu schreiben. Ich kenne den Code nicht, aber möglicherweise ist (streams) wirklich das Ergebnis von zwölf Jahren Flickschusterei am Backend und 14 Jahren Flickschusterei am Frontend, mal abgesehen von den vielen Forks. So oder so dürfte (streams) eine Menge PHP-Altlasten mit sich herumschleppen. Auch wenn (streams) das Ergebnis von fast anderthalb Jahrzehnten Entwicklung ist: Vielleicht braucht es wirklich den Rewrite à la Iceshrimp.NET, nur eben wieder in PHP.

Wenn Forte derweil mal stabil werden sollte, wird es noch näher am Rest des Fediverse sein als (streams). Denn Mike hat durch (streams) gelernt, wie das Fediverse spätestens seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk tickt. Forte braucht tatsächlich ein Dasein als Projekt, einen Namen, eine Markenidentität und Nodeinfo, um bestehen zu können, wenn es denn mal stabil werden sollte. Ob Mike das paßt oder nicht.

Daß er Forte ganz aufgibt, ist noch nicht sicher. Ich glaube, einer wie Mike wird die Finger vom Fediverse nicht lassen können. Schon gar nicht, wenn er weiterhin mit ansehen muß, was Mastodon für einen Murks treibt, was dann auch noch jeder zweite für "das Fediverse" hält.

2024-09-02 10:32:36

Doris (Hubzilla)

doris-hub@hub.hubzilla.hu

Vielen Dank für deine Ausführungen. Es ist wichtig, darüber zu informieren. Mit der fehlenden Werbung, das kann ich Mike nachsehen. Das ist nicht einfach und verschlingt viel Geld. Oft wird manches durch Marketing hoch-gepuscht, was eigentlich Sch... ist. Mit der richtigen Werbung tun sich viele schwer.
Aber nun zum Bekanntheitsgrad von Hubzilla oder Friendica. Ich selbst habe erst jetzt richtig wahrgenommen, was Hubzille eigentlich ist, bzw. lerne noch, welche Möglichkeiten in Hubzilla stecken. Über die Möglichkeiten sollte mehr kommuniziert werden. Hubzilla und Frindica sind eben nicht nur ein Kurznachrichtendienst. Und dafür wird es für viele bestimmt interessant .

2024-09-02 10:50:56

Der Pepe (Hubzilla) ⁂ ⚝

pepecyb@hub.hubzilla.hu

@Jupiter Rowland

Ich glaube, einer wie Mike wird die Finger vom Fediverse nicht lassen können. Schon gar nicht, wenn er weiterhin mit ansehen muß, was Mastodon für einen Murks treibt, was dann auch noch jeder zweite für "das Fediverse" hält.

Da bin ich mir sicher! Nur hilft das (streams) und den Nutzern meines Hubs derzeit leider nicht.

2024-09-02 10:53:12

Der Pepe (Hubzilla) ⁂ ⚝

pepecyb@hub.hubzilla.hu

@Doris (Hubzilla) Wobei das mit der "Werbung" nicht im Sinne von echtem professionellen Marketing gemeint war und ist. @Jupiter Rowland hat das - ergänzende zu meinen diesbezüglich eher kurz gehaltenen Ausführungen - perfekt erläutert. (streams) war und ist einfach komplett unbekannt.

2024-09-03 04:02:18

Bill Statler

billstatler@forum.statler.ws

Bei (streams) scheint momentan viel damit zu stehen und zu fallen, ob Bill sich in Git eingefuchst kriegt.

https://xkcd.com/1597/

2024-09-07 19:03:34

DerPepe (streams) ⁂ ⚝

derpepe@nomad.pepecyb.de

Immerhin kommen im Repo noch immer Fixes rein. Gerade heute. Scheint aus der Arbeit an Forte zu resultieren.

2024-09-07 19:08:48

Jupiter Rowland

jupiter_rowland@hub.netzgemeinde.eu

@DerPepe (streams) ⁂ Fragt sich natürlich, wenn Mike Code vom gecopyrighteten Forte ins Public-Domain-(streams) übertragen darf (wenn er das tut und die Fixes nicht einfach geringfügig anders schreibt), ob und in welchem Umfang wir das auch dürfen.

Umgekehrt wär's natürlich eleganter, wenn sich hier fähige Leute finden würden, die (streams) fixen, und Mike den Kram nach Forte mitnimmt.

2024-09-07 19:55:25

DerPepe (streams) ⁂ ⚝

derpepe@nomad.pepecyb.de

Ich sehe da kein wirkliches Problem drin. Die Lizenz von Forte ist ja auch nur eine, weil eine unbedingt sein sollte und extrem "copyleft".

Und was da Einzug hält sind eher kleinere Fixes.

Was die Weiterführung betrifft, bin ich nicht sonderlich zuversichtlich. Wenn ich sehe, dass ein bekannteres, verbreiteteres und beliebteres Projekt wie Firefish gerade nach kürzester Zeit den zweiten Tod stirbt, weil keiner das Projekt übernehmen möchte (kann), dann sehe ich kein Licht am Ende des Streams-Tunnels.

Es ist auch für jemanden, der nicht schon länger eingestiegen ist, nicht trivial, sich in die Logik eines solchen Projekts einzuarbeiten, um da wirklich auch dran mitzuprogrammieren.