Wie die #
Mobilitätswende (nicht) funktioniert:
Ich habe seit etwas über einem halben Jahr einen neuen Job in Bremen. Da muss ich einmal die Woche hin pendeln. Der Job ist interessant und macht Spaß, aber das Problem ist die #
Bahn. Oder um es anders auszudrücken: Ich werde ab jetzt lieber Autofahren!
Ich habe es wirklich versucht. Das erste halbe Jahr habe ich – abgesehen von einer Ausnahme, die ausschließlich in der Arbeit begründet lag – konsequent die Bahn genutzt. Und das Busnetz in Münster. Und den #
ÖPNV in Bremen.
Meine ursprüngliche Annahme war, dass es doch irgendwie doof wäre, wenn man die viele Reisezeit „einfach nur unterwegs“ wäre. Man könnte doch einfach im Zug arbeiten und so zumindest einen Teil der Reisezeit produktiv nutzen. Damit es nicht ganz so verschenkte #
Lebenszeit ist. Das zentrale Problem an dieser Stelle ist nur, dass das nicht stimmt.
Nehmen wir mal für einen Moment an, alles fährt pünktlich:
Wenn ich mit meiner großzügigen Home-Office-Regelung einmal pro Woche zur Arbeit fahre (mit Übernachtung in Bremen), muss ich hier um 7:05 Uhr aus dem Haus, um meinen Zug nach Bremen zu erwischen, der kurz vor acht fährt. Der sollte 9:15 Uhr in Bremen ankommen. Um 9:15 Uhr fährt allerdings auch der Bus vom Bahnhof in Bremen zu meinem Arbeitsplatz. Solange man sich nicht teleportieren kann (wenn ich das könnte würde ich den Teufel tun und den Zug nehmen), kann man den Bus nicht bekommen. Man „darf“ dann 30 Minuten in Bremen auf den nächsten Bus warten. Bei der Arbeit bin ich denn etwa zwischen 10:05 Uhr und 10:10 Uhr. Ich bin also gut 3 Stunden für einen Weg unterwegs. Davon kann ich realistisch ca. 1 Stunde im Zug produktiv arbeiten.
Fahre ich mit Auto, dann benötige ich Tür-zu-Tür ca. 1 Stunde 45 Minuten. Natürlich in der Annahme, dass auf der A1 kein Stau ist. Mit anderen Worten: die 1 Stunde im Zug nicht vergammeln kann ich viel produktiver bei der Arbeit verbringen.
Was natürlich für die Bahn spricht ist, dass das Mehrfachfahrten-Ticket deutlich preisgünstiger ist als mit dem Auto zu fahren. Das Problem dabei ist nur, dass die Bahn die Einlösung eines 10er-Tickets statt für zwei Monate seit November nur noch für einen Monat erlaubt. Ich würde der Bahn also regelmäßig zwei Fahrten komplett schenken. Wenn man mal eine Woche ganz zu Hause bleiben kann, muss ich denen schon 4 Fahrten schenken. Mit diesem Wechsel beim 10er-Ticket ist das Auto nicht mehr sehr viel teurer.
Jetzt hatte ich oben geschrieben, dass das alles unter der Annahme ist, dass alles pünktlich fährt. Wer nicht gerade die letzten paar Jahre (eher: Jahrzehnte) unter einem Stein gelebt hat weiß, dass die Bahn alles ist, aber nicht pünktlich. In dem ganzen halben Jahr hatte ich insgesamt vier Züge, die pünktlich fuhren. Davon drei auf dem Rückweg. Wenigstens die Hälfte aller Züge waren mehr als 30 Minuten zu spät. Was entsprechend wiederum wegen der Taktung in Bremen zu weiterem Warten führt. Und wenn Züge zu spät sind, und in der Bahn App entsprechend gekennzeichnet werden, kann man sich dennoch nicht darauf verlassen: wenigstens einer der Züge wurde als 25 Minuten verspätet deklariert, fuhr aber bereits nach 7 Minuten Verspätung. Ich muss also auch bei verspäteten Zügen trotzdem pünktlich am Bahnhof sein und der blöde rum warten. Wenn man dabei anfängt über vergeudete Lebenszeit zu sprechen: Genau davon ist die Rede!
Ein Stau auf der A1 hatte ich noch nicht. Das derzeit nur eine über 30 km lange Baustelle, in der Tempo 100 gilt. Das ist fast das angenehmste Stück zum Fahren. (Nebenbei: ich würde mich über ein Tempolimit wirklich sehr freuen. Alle Streckenabschnitte, auf den Tempolimit ist, sind deutlich entspannter zu fahren als die anderen. Und in der echten Welt ist man damit auch nicht viel langsamer.)
Ganz ehrlich: Ich kann das nicht mehr. Und ich will das auch nicht mehr. Ich würde wirklich lieber den Massentransport nutzen, als mit dem Auto zu fahren. Ich habe es wirklich versucht. Aber der Preis in Zeit ist einfach viel zu hoch. Wenn die Verkehrswende wirklich gelingen soll, dann müssen wir wirklich als allererstes die Bahn in den Griff bekommen. Und die ÖPNV-Takte in den Städten.
PS: An dieser Stelle dennoch mal ein ganz großes Lob an die #
BSAG. Von allen Verspätungen, die ich in dem halben Jahr hatte, war nur eine auf die Bremer Verkehrsbetriebe zurückzuführen. Und das war ein Versagen eine Hydraulik für Rollstuhlfahrer. Dafür dass Bremen so pleite ist, betrifft die Verkehrsapokalypse aber irgendwie vor allem das Unternehmen, was viele Millionen an Bonizahlungen für die Manager *übrig* hat, aber den Personalkräfte-Mangel bei einem Streik auf Kosten der Fahrgäste aussitzt. Informieren über Probleme (z.B. Liniensperrungen durch aktuelle Großereignisse) macht die BSAG auch Äonen besser als die Bahn. Das klingt bei denen auch nicht alles nach purer Ausrede für das eigene Versagen.