Digitalen Assistenten wie Alexa oder Siri vertrauen?
Wo bleibt die informationelle Selbstbestimmung?Ich habe keinen Ein-Aus-Schalter, bestenfalls zeigt mir ein Icon, dass gerade mitgehört wird - meist noch nicht einmal das. Selbst wenn wir "voller Vertrauen" - in wen oder was eigentlich? - unsere Sprachnachrichten, Diagnosen, Kreditkartendaten oder einfach nur unsere Wünsche an ein elektronisches Gerät, wie Alexa oder Siri weitergeben, haben wir nicht die mindeste Ahnung was mit diesen Informationen geschieht. Die AGBs der Anbieter weichen einer klaren Aussage aus.
Patrick Reichelt und Lisa Hegemann haben auf Zeit Online in einem lesenswerten langen Bericht zusammengetragen, welche Zweifel uns beschleichen sollten, wenn wir unsere Daten freizügig dem Netz anvertrauen. Inzwischen nutzt nach Branchenumfragen etwa jeder dritte Deutsche Geräte mit Sprachassistenten.
Die UngewissheitDie Geräte sind ständig angeschaltet und scannen akustisch ihre Umgebung und warten darauf, dass ein Aktivierungswort, wie "Siri", "He Google" oder "Alexa" fällt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt werden die Gesprächsdaten über das Netz übertragen, in Text umgewandelt, interpretiert - und gespeichert.
Es gibt keine verlässliche Zusage,
- dass nicht bereits vorher Daten übertragen werden (Künftig nur noch schweigsame Autofahrten oder das Schweigen im Schlafzimmer),
- wie lange die Daten gespeichert werden (Alexa löscht fast nie),
- ob Mitarbeiter der Unternehmen unsere Gesprächsdaten mithören (Menschen hören bei Sprachassistenten mit),
- an wen die Daten weitergegeben werden könn(t)en (Innenminister wollen Alexa als Beweismittel zulassen und Lauschende Handys als Zeugen?).
Dass es mehr als Ungewissheit ist, belegen Beispiele wie diese
- Alexa fühlt sich auch angesprochen, wenn nur die Rede vom Alexa-Kaufhaus am Berliner Alexanderplatz ist,
- auch ähnliche Namen wie Alexandra oder Alexander führen oft zu Lauschattacken,
- Siri wählte mal den Notruf, als iPhone-Nutzerinnen von "100 Prozent" sprachen,
- einem Nutzer, der bei Amazon seine Daten (nach DSGVO) angefordert hatte, lieferte das Unternehmen unter anderem 1.700 Audiodateien einer ihm fremden Person.
Ist das mit der DSGVO vereinbar?Kann man beim Nutzer selbst noch eine "Einwilligung" in die Gerätenutzung annehmen, da er sich dieses ja angeschafft hat, so gilt dies für seine Mitbewohner und Gäste sicher nicht. Nach der Gesetzeslage müsste er Jede/n, der ebenfalls abgehört werden kann über die Risiken und die AGBs des Herstellers informiert haben und sich eine wirklich freiwillige Einwilligung gemäß DSGVO von ihm eingeholt haben. Andernfalls macht er sich nach DSGVO strafbar, genauso, wie es auch Jede/r WhatsApp Nutzer macht, der erlaubt, dass sich Facebook sämtliche Kontaktdaten aus seinem Adressbuch kopiert und diese nutzt oder sogar weiter verkauft.
Die meisten Sprachaufnahmen sind harmlos?Wenn man sich nicht traut, den besten Freund zu fragen, dann googelt man danach. Vor der anonymen Suchmaschine sind Wissenslücken und seltsame Interessen scheinbar okay. Aber jemand Fremdes soll eigentlich nicht mitbekommen, wenn man nach Brustvergrößerung oder einem Porno fragt.
Also ist nichts "harmlos", auch nicht die Frage nach einem Preisvergleich von Versicherungen, denn aus alle diesen Fragen lassen sich Interessensprofile bilden, die im Weiterverkauf ihr Geld wert sind, wie sich aus unserem Bericht zur Überwachung durch Unternehmen im Kapitel "Unternehmenswerte der Internetgiganten" ablesen lässt.
Aufbewahrt für unbestimmte ZeitAmazon gibt auf Nachfrage der Autoren von ZEIT ONLINE keinen Zeitraum an, in dem Sprachaufnahmen automatisiert gelöscht werden, also könnten sie theoretisch unendlich lange auf den Servern liegen und komerziell genutzt werden. Man kann die Sprachaufnahmen in der Alexa-App oder über amazon.de/alexaprivacy entfernen, wenn man es weiß und sich darum kümmert. Dazu kommt noch ein Fallstrick: Man beginne "sofort" mit dem Löschprozess, heißt es. Wie lange dieser dauert, wer weiß es?
Google versichert, dass nur Anfragen an Google Home gespeichert, wenn "Sprach- und Audioaktivitäten" im Profil aktiviert ist. Auch dann kann man einstellen, dass die Daten nach drei bis 18 Monaten entfernt werden. Werden sie wirklich gelöscht oder nur anonymisiert, also vom Benutzerkonto abgekoppelt?
Apple versichert "nur noch Transkripte, aber keine Audiodateien mehr zu speichern". Was soll das? Die sind doch trotzdem mit dem Nutzerkonto verknüpft. Der Nutzer kann zustimmen, dass die Audiodaten bis zu sechs Monate lang "für ihn" aufgehoben werden. Eine Kopie davon kann aber vom Unternehmen bis zu zwei Jahre lang für die Verbesserung von Siri weiterverwendet werden.
Datenschutz ein Nice-to-Have, kein Must-have?Warum lassen Menschen ein Handy, das ununterbrochen Daten sendet und empfängt, in dem Raum in dem sie leben, vielleicht sogar auf dem Nachttisch? Die Autoren vermuten, dass die Nützlichkeit von Smartphones für die meisten wichtiger sei als die damit verbundenen Risiken eines Eingriffs in die Privatsphäre. "Es bräuchte einen Skandal mit einem großen monetären Schaden, damit die Bedrohung klar würde, sagte der Soundforscher Holger Schulze kürzlich im Digitalpodcast von ZEIT ONLINE. Es müsse eine gesamtgesellschaftliche Ächtung etwa davon geben, dass Daten aufgezeichnet und Nutzeraktivitäten verfolgt werden. Aktuell würden wir nur die Oberfläche sehen und bekämen gar nicht mit, was im Hintergrund passiert."
Für die Durchsetzung unseres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ist also noch viel zu tun ...Mehr dazu bei
https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2019-09/smart-speaker-amazon-echo-google-home-datenund
https://www.aktion-freiheitstattangst.org/de/articles/7047-20191020-digitalen-assistenten-wie-alexa-oder-siri-vertrauen.htm#
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