[l] Ich glaube ja, dass viele nicht verstehen, auf welcher Grundlage Firmen arbeiten. Die Grundlage ist ganz einfach: Schuld abwälzen. Niemand will es gewesen sein.
Daher glaube denen kein Wort, wenn die Presse behauptet, dass in einer großen Firma eine weitreichende Entscheidung von einem Ingenieur oder irgendeiner Abteilung unterhalb von Geschäftsführung oder Aufsichtsrat getroffen wurde. Das passiert nicht. Die lassen sich grundsätzlich alles abzeichnen, auf Papier. Damit sie im Notfall zeigen können, dass es nicht ihre Schuld war.
Immer. Keine Ausnahmen.
Aber auch in der Außendarstellung arbeiten Firmen so. Bei IT kann man das gut zeigen. Nehmt MS Office. Diesen Balken, wenn man ein Attachment aus einer Mail öffnet. Da kommt dann oben so ein gelber Balken über dem Dokument: Achtung, das Dokument ist read-only geöffnet, weil es aus dem Internet kam und das gefährlich ist. Hier kann man das wieder anschalten: [Anschalten]"
Dieser Balken hat genau einen Grund. Dass die Firma sagen kann: Na der User hat doch auf den Balken geklickt. Nicht unsere Schuld. Wir haben da sogar "gefährlich" reingeschrieben!
Viele Leute haben den Eindruck, der Balken ist da, um sie zu warnen. Nein. Es geht nicht um euch. Es geht um den Hersteller.
Genau so muss man übrigens UAC ("Wollen Sie wirklich?"-Prompts von Windows seit Vista) sehen. Das ist alles unsicher und ein Einfallstor, aber die Arbeitsprozesse brechen zusammen, wenn man das ordentlich macht, und die Kunden von Microsoft wollen es nicht ordentlich sondern die wollen weiter pfuschen. Also kommt da ein Knopf hin. Damit Microsoft im Zweifelsfall auf den Knopf zeigen kann. Schaut her, sagen sie dann, da hat der User drauf geklickt. Selber Schuld.
Das geht hier nicht um Microsoft. So läuft die Argumentation übrigens auch intern, ich habe das ja mehrfach bei Firmen beobachten können. "Wir haben doch im Kleingedruckten stehen, dass das gefährlich ist, und man musste klicken". Der wichtige Teil ist: Man musste klicken.
Android macht das genau so. Ihr installiert eine App, da kommt eine lange Liste mit Zugriffen, die die App haben will. Facebook will einmal alles, klar. Google zeigt euch das nicht, um euch zu warnen, sondern damit wenn Facebook mit euren Daten Scheiße macht, damit Google dann sagen kann: Guck mal, hier war der Knopf, und du hast da draufgeklickt.
An einigen Stellen geht das sogar noch weiter. Bei Windows 10, bei den Privacy-Vorstellungen, haben die intern ernsthaft argumentiert, naja, man kann ja hier im Installer unter More... und Advanced... die ganzen Haken wegmachen. Wer das nicht tut, ist halt selbst Schuld. Die akzeptieren für genau eine Art von Telemetrie die Verantwortung, und das ist die, die man nirgendwo wegklicken konnte. Alles andere ist eure Schuld.
Ich erzähle das hier, weil ihr euch darauf trainieren könnt, Situationen zu erkennen, wenn ein Hersteller die Schuld auf euch abwälzt. Achtet auch mal darauf, wie das UI immer mit Dark Patterns so getuned wurde, dass ihr nicht den Eindruck habt, tatsächlich eine Wahl zu haben. Aber ihr habt immer eine Wahl. Wenn mir eine Software oder ein Dienst so ein Prompt gibt, dann bin ich normalerweise draußen. Go fuck yourselves. Ihr solltet mal versuchen, das genau so zu halten. Nur so als Test, ob ihr mit dem Ergebnis leben könntet.
Denn das ist aus meiner Sicht die essentielle Kernkompetenz im digitalen Zeitalter, was wir allen unseren Kindern beibringen sollten.
Achtet auch darauf, wie die Hersteller nie genau erklären, was passiert, wenn man die Zustimmung erteilt. Denn dann wären sie in der Haftung, wenn sie mehr machen. Und die Hersteller wollen sich ja alle die Tür offen halten, in Zukunft mehr mit der einmal erteilten Zustimmung zu machen.
Update: Übrigens, apropos Dark Patterns: Ich hätte in Browsern gerne einen Knopf, der HTML untersagt, Scrollbalken zu deaktivieren. Einfach grundsätzlich. Geht nicht mehr. Denn inzwischen machen viele Anti-Adblocker- und Cookie-Nervbalken auf der Webseite das Scrolling aus. Es wird höchste Zeit, dass Adblocker das rückgängig machen oder Browser es gar nicht erst zulassen.
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